... das gehört zusammen wie gutes Training und ein schneller Wettkampf. Es muss aber nicht immer mit Laufen zu tun haben. Hier bekommt ihr jeweils eine Story angeboten, die sich ums Laufen dreht, oder auch nicht.
Meereslauf.
Wir sind knapp fünf Kilometer durch den kleinen Ort am Meer gelaufen. Hier ist alles auf Tourismus ausgerichtet. Doch im Dezember sind die Straßen leer. Das Thermometer zeigt einen Grad über Null an, der Himmel ist bewölkt, es weht fast kein Wind, was für diesen Landstrich absolut ungewöhnlich ist.
Arkadi trabt neben mir. Er sucht vor allem meine Nähe, da auf dem nahe gelegenen Truppenübungsplatz gerade die Panzerkanonen sprechen. Es knallt, rumst und hier und da sind sogar kleine Druckwellen zu spüren. Das behagt meinem vierpfotigen Freund überhaupt nicht. Ich rede ihm gut zu. Gleich haben wir es geschafft und verlassen die Straße. Dann sollte es ruhiger werden.
Der weiche Sand, auf dem man bei jedem Schritt rutscht, verändert sich. Je näher ich dem Meeresufer komme, desto härter wird der Untergrund. Der perfekte Boden für einen angenehmen Lauf. Wir laufen direkt am Saum der Brandung. Arkadis Leine habe ich schon lange abgemacht. Der große Rüde bleibt trotzdem direkt in meinem Windschatten. Ich fühle mich gut. Die Beine sind leicht und laufen fast von allein. Die Luft, die in meine Lunge strömt, ist salzig frisch und scheint meinen „Laufmotor“ richtig gut zu füttern. Kurzum: Ich fühle mich fantastisch.
Neben mir rauscht dieser wilde Ozean, der sich heute lammfromm und völlig harmlos präsentiert. Die Einheimischen wissen genau, wie schnell sich das ändern kann. Ich bin jedoch einfach nur beseelt. Mein Blick über das Wasser findet kein Ende. Der Horizont verschwimmt mit der See und die Schreie der Möwen tun ihr Übriges, um mich in einen mentalen Tunnel einfahren zu lassen. Wenn ich nach vorn schaue, dehnt sich dort das hellbraune Band eines Strandes aus, auf dem sich zu dieser Jahreszeit kein einziger Mensch befindet. Ich könnte auf dem Mond laufen. Die Chance jemanden zu treffen wäre ungefähr gleich groß. Links von mir erheben sich die Dünen und das hohe Gras wiegt sich langsam in den lauen Winden. Alles zusammen sorgt dafür, dass sich meine Beine von ganz allein bewegen. Mein Körper läuft, aber mein Geist ist ganz woanders. Wo genau? Überall und Nirgends! Es ist ein Zustand zwischen Schein und Sein, der von mir aus immer so weiter gehen könnte.
Nach vier Kilometern sehe ich den großen Bootssteg, der mir zeigt, dass mein Strandlauf hier endet. Ich muss durch die Ferienhaussiedlung zurück zu unserem Haus. Arkadi kommt an die Leine. Gleich geht es wieder durch den kleinen Ort. Doch bevor wir die Straße erreichen, auf dem höchsten Punkt des Dünenkamms, drehen wir uns noch einmal um. Arkadi und ich bleiben kurz stehen, schauen auf das endlose Meer, speichern diesen Anblick in unserer Erinnerung und laufen vom Meer zum Land.
Thomas Knackstedt