... das gehört zusammen wie gutes Training und ein schneller Wettkampf. Es muss aber nicht immer mit Laufen zu tun haben. Hier bekommt ihr jeweils eine Story angeboten, die sich ums Laufen dreht, oder auch nicht.
Idioten überall.
Lesen sie viel? Haben sie einen Lieblingsautor? Ich kann beide Fragen sofort und bedenkenlos mit Ja beantworten. Seit über 50 Jahren lese ich alles, was ich in die Finger bekomme. Allerdings habe ich da so meine Vorlieben. Ich schnappe mir nie ein Buch, von dem ich vermute, es könnte mich nicht interessieren. Im Gegenteil. Ich wähle aus, welches Thema wer so erzählt. Dann gebe ich dem Buch 100 Seiten. Wenn es mich bis dahin nicht eingefangen hat, lege ich es zur Seite. Was den Lieblingsautor angeht, so gibt es einen Schriftsteller, der mich bei jedem seiner Romane und Geschichten grundsätzlich schon auf den ersten Seiten eingefangen hat. Ich habe sie alle gelesen: Brecht, Böll, Gras, Marquez, Conrad, Hemingway, Steinbeck, Fitzgerald, Djian, und wie sie alle heißen. Die Aufzählung ist bei weitem nicht abgeschlossen. Ihre Bücher haben mich zum Teil tief bewegt und manchmal auch enttäuscht.
Es gibt nur einen, der mich bei jeder Geschichte sofort an die Hand nahm, zu erzählen begann und mir das Gefühl gab: Ich gehöre dazu! Ich bin in dieser Geschichte! Hier spricht jemand meine Sprache, kennt meine Gefühle, Sorgen, Ängste und Wünsche. Das war, und ist noch immer, Stephen King. Woran das liegt? Okay, darüber könnte man jetzt Romane schreiben, aber darum geht es in dieser Geschichte nicht. King ist jemand, der feine Antennen für die Menschen um ihn herum hat. Er nimmt Stimmungen auf und ist in der Lage sie passgenau, spannend und emotional zu schildern. Vor allem geht es bei ihm sehr oft um die Themen Moral, Anstand und Würde, die meiner Ansicht nach in unserer heutigen Welt viel zu kurz kommen. King ist der Prototyp des legendären Geschichtenerzählers, der seine Zuhörer ums Lagerfeuer geschart hat und der dafür sorgt, dass alle, die dort sitzen an seinen Lippen hängen. Und genau damit kommen wir jetzt zu dieser Geschichte. Denn sie hat als Grundlage einen Satz aus einem Roman von Stephen King. Da sitzt eine Polizeichefin im Streifenwagen, ist auf dem Weg zum Einsatz, denkt über ihren Job nach und lässt uns wissen:
„Der brave Bürger hatte keine Ahnung, welchen Blödsinn man sich anhören musste, wenn man bei der Polizei war.“
Als ich diesen Satz las, dachte ich: „Wie schafft man es meine selbst erlebten 46 Jahre bei der Polizei in nur einen einzigen Satz zu fassen? So schafft man das! Es ist schlichtweg perfekt.“
Dabei war King nie bei der Polizei. Aber dieser Satz ist eine Essenz vieler Erlebnisse, an denen ich selbst teilhaben durfte. Wo soll ich da anfangen?
Zum Beispiel beim strammen deutschen Staatsbürger, der die Polizei anruft, weil vor seinem Haus, auf der öffentlichen Straße, im öffentlichen Raum, ein fremdes Auto steht. Und zwar genau da, wo er so gerne immer parkt. Wo kommen wir da hin, wenn wir so etwas durchgehen lassen? Auf die staatliche Polizeiantwort, dass jeder auf diesem Planeten, sofern er ein ordentlich versichertes und angemeldetes Kraftfahrzeug besitzt, dieses genau auf diesem Platz abstellen darf, erfolgt zunächst Fassungslosigkeit und dann absolutes Unverständnis.
Oder die Frau, die anruft, weil sie seit einer Stunde drei Tauben beobachtet, die im Rinnstein sitzen und nicht wegfliegen. „Das stimmt doch was nicht. Sie müssen sofort kommen.“ Das habe ich mir nicht ausgedacht. Solche Dinge passieren im Polizeidienst jeden Tag.
Nach einer Festnahme haben wir einen Straftäter in die nächste Justizvollzugsanstalt gebracht. Dazu fuhren wir auf der Autobahn an unserem schönen Mittelgebirge Harz vorbei. Mein Kumpel Andi sagte zu dem Typen, den wir aus Dutzenden Einsätzen bereits kannten: „Schau mal, da drüben ist der Harz.“ Die Stirn des Typen legte sich in Falten, er schien angestrengt nachzudenken und sagte dann: „Harz? Kenne ich nicht. Ich kenne nur Hartz 4.“
Oder die völlig Durchgeknallten. Die die gesamte Nachbarschraft mit schrecklichen Schreien und undefinierbarem Lärm auf Trab halten. Dann kommen wir, suchen das Gespräch und während einer Gesprächspause voll perfekter Stille, zuckt auf einmal das Gesicht unsers Gegenübers zur Seite, die Augen rollen und er ruft: „Haben sie das gehört?“ Ich schüttele den Kopf und sage: Nein. Was denn?“ Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Die Stimmen! Hören sie die Stimmen nicht?“ Da bleibt dann nur noch der Weg in die Psychiatrie. Wer weiß, vielleicht kann da jemand etwas hören.
Dazu Tausende sinnlose Diskussionen mit komplett zugedröhnten Drogenkonsumenten, stockbesoffenen jungen Männern, uneinsichtigen Falschparkern, Verkehrsrowdys, die glauben sie seien tolle sportliche Fahrer. Da immer die Nerven zu behalten ist alles andere als einfach.
Auf Großdemonstrationen kann es dann richtig heftig werden. Neonazis, die Parolen brüllen und in ihren Reden immer lauter und lauter werden. Die sich an der eigenen Stimme und dem ganzen Blödsinn, den sie zum Besten geben, selbst berauschen, bis man sie vor lauter Geschrei gar nicht mehr verstehen kann.
Oder Reichsbürger, die dich mit ihrem Nazisprech schier wahnsinnig machen. Bei denen ich immer dachte: „Alter, wenn Du zur Hitlerzeit gelebt hättest, wärst du beim Wegsperren in der ersten Reihe gelandet.“
Das Gegenbeispiel sind die linken Ökos und Weltverbesserer, die weinend und jammernd die böse, böse Welt verteufeln und Vater Staat in die Rolle des Satans packen. Meist genau den Vater Staat, der ihre Miete, die Heizkosten und den Lebensunterhalt bezahlt.
Um die Aufzählung noch zu erweitern, gibt es auch noch genügend Schwachköpfe in den eigenen Reihen. Vorgesetzte, die eindeutig mindestens vierzig Jahre zu spät geboren wurden. Die bei der Wehrmacht sicher gut Karriere gemacht hätten, aber in der modernen Polizei nichts verloren haben. Psychologen, die dir in der Ausbildung erzählen, dass sie immer, wenn ihnen das Mittagessen gut geschmeckt hat, anschließend den Teller ablecken. Kollegen, die nach einem Ladendiebstahl im Wert von 1,50 Euro mit der Waffe im Geschäft rumfummeln und „Hände hoch“ rufen.
So sieht sie aus: Die Polizeiarbeit. Mehr versammelten Schwachsinn findest du heute nur noch in den Sozialen Medien. Vermutlich von den gleichen Typen dort gepostet, die dir in den Einsätzen auf der Straße so unheimlich auf den Senkel gehen.
Und das ist nur ein kleiner Auszug. Natürlich gibt es da noch so viel mehr. Kaum ein Job ist so abwechslungsreich wie der des Polizisten. Schwere Unfälle, die dir an die Nieren gehen. Leichen, Katastrophenopfer, Einbrecher vor Ort, Verfolgungsfahrten, Schlägereien, Festnahmen, Durchsuchungen, Katzen von Bäumen holen, Frauenschläger in die Schranken weisen, Vermisste finden, Leben retten und Hilfe leisten. Dieser Job kann unglaublich erfüllend sein. Garniert werden all diese Einsätze mit irgendwelchen Trotteln, die ihren Senf zu allem dazugeben müssen und dich mit dem letzten Schwachsinn volltexten, während du versuchst deine Arbeit zu machen.
Um all das genießen und erleben zu dürfen muss man halt diese Schar von Idioten ertragen, die anscheinend überall hinter irgendeiner Ecke lauern. Die sind ungefährlich aber unsagbar altklug, nervig, wichtigtuerisch und lästig. Einen guten Polizisten zeichnet da aus, sich auch den letzten Müll anzuhören und nur in absoluten Notfällen solche Fälle mit Gewalt zu lösen. Nur, wer das selbst einmal erlebt hat, weiß genau wovon ich rede. Und natürlich Stephen King. Der weiß es auch…
Thomas Knackstedt