... das gehört zusammen wie gutes Training und ein schneller Wettkampf. Es muss aber nicht immer mit Laufen zu tun haben. Hier bekommt ihr jeweils eine Story angeboten, die sich ums Laufen dreht, oder auch nicht.
„Kommando Geheimstart.“
In den letzten Jahren haben mir Verletzungen immer wieder die Marathonstarts verhagelt. 2024 habe ich Roman in Magdeburg begleitet. Die 3:44 Stunden haben wir mit Ach und Krach ins Ziel gebracht. Ich war kaum vorbereitet und war nach dem Rennen komplett am Ende. Mein rechter Fuß hatte bei diesem Lauf extrem „gemuckt.“
In diesem Jahr wollte ich keine Verletzung riskieren. Ich hatte alle meine Wehwehchen auskuriert und mir für den Marathonstart im Herbst einen ziemlich eingedampften Trainingsplan verpasst. 60 Kilometer die Woche. Davon jede Woche ein 30 Kilometerlauf im Gelände (das mag mein Fuß deutlich mehr als den Asphalt). Insgesamt 7 Lange Läufe, deren Zeiten zwischen 2:37 bis 2:50 Stunden lagen. Dazu zwei Wettkämpfe über 10 und 12 Kilometer, die zwar sehr gut ausfielen, was für den Marathonstart allerdings überhaupt nicht aussagekräftig ist. Ob und wie diese Vorbereitung funktionieren würde, war mir nicht klar. Ich spekulierte damit auf eine Zeit um 3:35 Stunden. Damit wäre ich hochzufrieden gewesen. Vor allem wollte ich schmerzfrei über den Marathon kommen. Sollte es noch schneller gehen: Gern. Aber in meinem Alter glaubt man daran nicht mehr wirklich.
Eigentlich wollte ich, zusammen mit Karsten, den Brocken-Marathon laufen. Doch Karsten muss aus gesundheitlichen Gründen passen. Allein hatte ich zu einem Start im Harz auch keine Lust. Da ich aber unbedingt einen Marathon laufen wollte, bot sich der Magdeburg Marathon an. Außer Kathrin, Sabine, Karsten und Sigurd weihte ich von den Läufern niemanden in meine Pläne ein. Ich wollte mich komplett ungestört auf den Lauf vorbereiten.
Als heute Morgen um 4:55 Uhr der Wecker klingelte fühlte ich mich gut. Wir packten unsere Sachen zusammen, ließen Arkadi ins Auto hopsen und ab ging es. Sabine und Sigurd wollten uns begleiten. Darüber freute ich mich riesig. Wir verabredeten einen Treffpunkt in Grasdorf. Auf dem Weg dorthin verfuhren wir uns. Kathrin rief Sigurd an, dass wir später kämen. Da passte es sich, dass Sabine und Sigurd gerade mehrere Straßensperrungen zu umfahren versuchten. Also fand unser Treffpunkt deutlich später statt.
Mit einer gut aufgelegten Sabine vor dem Start.
Anschließend war die Autobahn so frei, wie ich sie noch nie in Richtung Magdeburg erlebt habe. An der Raststätte, die wir normalerweise vor einem Magdeburg Start aufsuchen, rauschten wir vorbei. Nahmen wir also die nächste. Kein Beinbruch.
Wir kamen noch immer rechtzeitig an. Das große Messegelände und die Hallen bieten jede Menge Platz und kurze Wege an. Vom Parken bis zur Entgegennahme der Startnummer vergehen nur fünf Minuten. Danach quatschen wir noch ein wenig und freuen uns über das Wetter. Es ist nämlich trocken. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Dafür weht ein heftiger Wind die Elbe entlang. Punkt 9:10 Uhr wird der Marathon gestartet und ab geht es.
Wie immer prescht die Menge zu schnell los. Für mich heißt das: Ich werde auf den ersten 10 Kilometern nur überholt. Aber das kenne ich schon. Nach fünf Kilometern geht es an die Elbe und hier weht uns für die nächsten sechs Kilometer ein heftiger Wind direkt entgegen. Ich weiß schon jetzt, dass dieser Wind in Runde zwei dem ein oder anderen Läufer extreme Schwierigkeiten bereiten wird.
Nur nicht zu schnell loslaufen.
Kilometer 10 sieht mich bei 49:45 Minuten. Ein bisschen zu schnell, aber okay. Bei Kilometer 18 läuft die spätere Zweitplatzierte Eva auf mich auf. Die wirkt auf mich sehr fit und gut aufgestellt. Ich muss schmunzeln, als sie mich fragt, ob es mich stört, wenn sie eine Zeit lang neben mir läuft. Natürlich tut es das nicht. Wir stellen uns vor und verlieren uns ein bisschen im Smalltalk. Aber nicht all zu lange. Ab Kilometer 25 beginnen wir zu überholen. Das läuft sehr gut. Ich bin mir zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich sicher, dass Eva vor mir im Ziel sein wird. Immer wieder stehen Kathrin, Sabine und Sigurd an der Strecke. Ich erkenne die Gruppe schon weitem, weil Arkadi neben den Dreien liegt. Ich freue mich jedes Mal, ihre Gesichter zu sehen.
Wir sind beim Halbmarathon knapp unter 1:47 Stunden durchgegangen. Das passt. Kilometer 30 passieren wir nach 2:32 Stunden. Wir fühlen uns beide gut. Noch immer überholen wir. Jetzt, im starken Gegenwind, machen sich die schon gelaufenen 30 Kilometer deutlich mehr bemerkbar als an gleicher Stelle in Runde 1. Unsere Überholmanöver gehen bis Kilometer 38 weiter. Von da an zieht es mir, im wahrsten Sinne des Wortes, den Stecker.
Mit Eva bei Kilometer 28.
Von einem Schritt auf den anderen sind die Schmerzen unter dem rechten kleinen Zeh wieder da. Das ist allerdings halb so wild. Das wird mich auf den letzten 4 Kilometern nicht aufhalten. Viel gravierender ist, dass meine Waden und die Vorderseiten meiner Oberschenkel mir gemeinsam mitteilen, dass sie keinen Bock mehr haben weiterzulaufen. Ich entscheide mich sofort, das Tempo drastisch zu reduzieren. Denn eines weiß ich genau: Ich werde keinen Meter dieses Marathons gehen! So lasse ich Eva mit ein paar guten Worten laufen. Ich weiß, dass sie das gut zu Ende bringen wird. Ich kämpfe mich die letzten Kilometer durch. Auf dieser relativ kurzen Strecke packe ich zwei Minuten an Zeit drauf und werde noch von einer Hand voller Läufer überholt.
Nach 3:37 Stunden bin ich im Ziel. Eva hat die Ziellinie zwei Minuten vor mir passiert. Eigentlich fühle ich mich ganz gut. Ich gratuliere Eva, gehe ein paar Schritte in Richtung Halle und merke dann, dass mein Kreislauf am Anschlag ist. In der Halle hole ich mir eine Cola und setze mich erst einmal hin. Das tut Not. Ich brauche locker 5 Minuten, bis mir nicht mehr „schwummerig“ ist und mein System wieder einigermaßen auf Notstrom läuft.
Glückwünsche im Ziel für Platz 2 der Frauenwertung.
Hätten mich meine Begleiter beim Aus- und Anziehen vor und nach dem Duschen beobachten können; sie hätten wahrlich ihre Freude gehabt. Ganz sicher! Ich war kaum in der Lage aus den Klamotten rauszukommen. Das Anziehen lief nicht viel besser.
Nach dem Duschen hole ich mir noch eine Cola und ein Bier und suche meine Leute. Die warten schon auf mich. Nach ein paar schönen Umarmungen holt mir Sabine noch einen großen Kaffee und wir machen uns auf den Rückweg. Ich bin noch immer fix und fertig. Auf der Autofahrt von Magdeburg nach Grasdorf weiß ich kaum, wie ich mich hinsetzen soll. Mir tut alles weh. Das fühlt sich überhaupt nicht gut an.
Nach dem Lauf gibt es mentale Unterstützung.
Wir verabschieden uns herzlich von Sabine und Sigurd und nehmen die restlichen Kilometer in Angriff. Nach und nach geht es mir besser. Das wurde auch Zeit.
Mein Fazit von heute: Bis Kilometer 38 ein wirklich schöner Lauf. Kein Problem, alles gut. Die letzten vier Kilometer bitter, aber machbar. Der Zustand nach dem Lauf: Nicht gut und Nachdenkens wert. Ich weiß nicht, ob ich in Zukunft bereit bin diesen Preis für einen Marathonlauf zu zahlen. Aber das ist eine andere Geschichte…
Thomas Knackstedt