Schreiben und Lesen...

        

... das gehört zusammen wie gutes Training und ein schneller Wettkampf. Es muss aber nicht immer mit Laufen zu tun haben. Hier bekommt ihr jeweils eine Story angeboten, die sich ums Laufen dreht, oder auch nicht.





Ein einziger Tropfen.


Das ist nicht viel, oder? Wenn man bedenkt, wie viel Wasser sich in den Ozeanen des Planeten befindet, dann ist ein Tropfen schlichtweg nicht wahrnehmbar. Aber: Wir brauchen ihn immer: Diesen einen Tropfen! Ohne ihn, passiert nichts! Jedenfalls nicht in unserer Welt. Wir sitzen in einem Auto, das mit 200 Stundenkilometern auf eine Betonwand zufährt. Wir wissen, dass das nicht gutgehen wird. Wir ahnen, dass das unser Ende sein kann. Aber wir warten erst einmal ab. Wer kann schon sagen, was passieren wird? Vor allem, ehe es wirklich passiert.


Seit es die Menschheit gibt, braucht es diesen einen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Wenn zuvor eine Milliarde Tropfen in das Fass gingen, ohne das es überlief, wieso sollte da jetzt ein einziger nicht mehr hineinpassen? Diese Logik hat sich uns noch nie erschlossen. Allerdings ist es genau diese Logik, die unser Überleben sichern könnte. Egal, ob wir an Kriege, den Klimawandel, Krankheiten oder andere lebensbedrohliche Szenarien denken. Es ist ein bisschen so, wie vorausschauendes Fahren. Einfach mal die Straße in der Ferne nach Hindernissen scannen. Mehr nicht. So eine Kleinigkeit kann über Sein oder Nichtsein entscheiden.


Letztendlich brauchen wir Unfälle, Katastrophen, Gier, Neid, Hass und den Tod, damit wir aus unserer Lethargie erwachen. So schlimm all diese Dinge sind, so dankbar müssen wir für sie sein. Ich weiß, wie verrückt sich das anhört, aber: Leider sind wir selbst derart verrückt. Auf die Idee, die Atomkraftwerke abzuschalten, sind wir erst nach Fukushima gekommen. Selbst das viel größere Unglück in Tschernobyl hat nicht ausgereicht, uns klarzumachen, womit wir da hantieren. Und dabei rede ich nicht mal von den Betriebsgefahren eines Atomkraftwerks. Allein die Entsorgung der Abfälle müsste uns seit Jahrzehnten Albträume bescheren, die uns nachts schreiend aufwachen lassen.


Jeder Amoklauf, egal ob von einem religiös verblendeten, politisch motivierten oder psychisch kranken Menschen, sorgt dafür, dass wir uns Gedanken machen, wie wir friedlich zusammenleben können. Ohne sie würden wir nie darüber nachdenken, ob wir wirklich Waffen in unseren Häusern brauchen. Oder ob wir uns nicht vielleicht mehr um Kinder und Jugendliche kümmern müssen. Ob wir vielleicht im Schulsystem etwas verbessern sollten oder die Jugendämter völlig neu aufstellen sollten. Jede dieser menschlichen Katastrophen zerreißt Herzen und beendet Leben. Doch selbst in ihrer Summe haben sie bis heute nicht bewirkt, dass wir auch nur ansatzweise gegensteuern würden.


In jedem Unglück, jeder Katastrophe liegt für uns immer wieder die Chance für einen besseren Neuanfang. Mit ein bisschen Glück ist es dafür noch nicht zu spät. So kann zum Beispiel ein egoistischer Geschäftsmann, der seine geistige Gesundheit verdammt nah am Wahnsinn geparkt hat, Präsident des mächtigsten Landes der Erde werden. Das ist fast so, als würde man einem Zweijährigen die Kontrolle über alle Atomwaffen der Erde überlassen. Natürlich dachten wir alle: So schlimm wird das schon nicht werden. All diese irren, komplett durchgedrehten Parolen und Lügen; das war doch nur Wahlkampf. Am Ende kam es noch schlimmer. Wir bekamen vor Augen geführt, wie fragil unser demokratisches System ist und wie unfassbar leicht es Lügnern und Betrügern gemacht wird, ihre wahren Absichten zu vertuschen. Es war unfassbar, zu sehen, dass die Ärmsten der Armen einem Mann huldigten, der schwerreich, skrupellos und selbstsüchtig war. Brauchte man einen Beweis, dass der Planet in Gefahr ist; hier war er. Sollte es für unseren Wahnsinn noch eines weiteren Beweises bedürfen, so ist schon jetzt abzusehen, dass trotz aller Lügen und Verbrechen, die dieser Mann begangen hat, seine Anhängerschaft nicht schwindet und er es sogar wieder an die Spitze der Regierung schaffen kann. All das funktioniert nicht nur in Amerika. Auch in Israel, Ungarn, der Türkei, Syrien, Afghanistan oder dem Iran darf man das Fehlen jeglicher menschlichen Logik „bewundern.“


Auf der anderen Seite des Planeten zeigte uns der Kommunismus, der doch für die Gleichheit und den Wohlstand aller Menschen stehen sollte, wie eine Diktatur in Reinform aussieht. Ein einzelner, in der Vergangenheit gefangener Despot, greift einen eigenständigen Staat an, ohne jeglichen nachvollziehbaren Grund. Die Welt schreit auf und wir merken endlich, dass wir für unsere Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen müssen. Es gibt Zeiten zum Verhandeln und Zeiten zum Kämpfen. So schrecklich der Krieg auch ist, er ist in diesem Fall die einzige Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass Despoten und Tyrannen auf diesem Planeten nicht einfach tun können, was ihnen gerade in den Kram passt. Wer grundlos angegriffen wird, muss jedes Recht und jedes Mittel nutzen können, um sich zu verteidigen. Wenn das nicht mehr gilt, ist es um Werte wie Moral, Anstand, Ehre und Wahrheit geschehen. Werte, die einige von uns heute als antiquiert und aus der Mode gekommen sehen. Dabei sind genau das die Grundpfeiler des „Menschsein.“ Die meisten von uns sind gut. Wollen, dass wir alle irgendwie in Ruhe und Frieden zusammenleben. Nur einige können in Ruhe nicht leben. Die wollen mehr, mehr und noch mehr. Das muss nicht mal Geld sein, Macht allein reicht da oft schon als Motivation aus. Dazu ein wenig religiöse Verblendung oder kulturelle Verirrung und schon ist es vorbei mit dem Frieden.



Was wird geschehen? Mit dem Krieg, dem Klimawandel, der Überbevölkerung, der Migration, der Energiekrise, der Gewalt? Ich weiß es schon jetzt. Wir werden einfach weitermachen. Egal, wie viele Mahner, Wissenschaftler oder Politiker uns predigen werden, dass wir auf unser Ende zusteuern. Wir sind schon immer so gewesen und wir werden auch immer so bleiben. Erst wenn der eine Tropfen gefallen ist, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, dann werden wir Zeter und Mordio schreien. Dann werden wir brüllen, dass wir es schon immer gewusst haben und man doch schon lange hätte, gegensteuern müssen. Dann werden wir die Politiker verteufeln, die wir selbst gewählt haben und die Wissenschaftler an den Pranger stellen, denen wir nie richtig zugehört haben. Ich weiß nicht, aber ich habe so eine Ahnung, dass bei manchen der Probleme, die auf uns zukommen, dieser eine Tropfen schon im Fallen ist…



Thomas Knackstedt