Schreiben und Lesen...

        

... das gehört zusammen wie gutes Training und ein schneller Wettkampf. Es muss aber nicht immer mit Laufen zu tun haben. Hier bekommt ihr jeweils eine Story angeboten, die sich ums Laufen dreht, oder auch nicht.



 

 


Schätze.


Als Kind habe ich immer davon geträumt, einen Schatz zu finden. Wer nicht? Natürlich irgendwo vergraben, versteht sich. Oder in einer Höhle, einem unentdeckten Verlies, einer alten Burg oder an einem Ort, den noch nie ein Mensch betreten hat. Wer spüren will, wieso dieser Wunsch in fast allen Menschen steckt, muss sich nur die Indiana Jones-Filme anschauen oder Die Jagd nach dem grünen Diamanten.


Aus dem Schatzfund ist bis heute leider nichts geworden. Jedenfalls nicht in der Art und Weise, die ich mir als Kind gewünscht habe. Später kamen dann Wünsche nach teuren Autos, einem Lottogewinn oder einer Villa dazu. Aber auch die verblassten relativ schnell. Je älter ich wurde, desto mehr stellte ich mir unter dem Begriff Schatz etwas ganz anderes vor als Gold, Geschmeide, Geld, Juwelen oder Silbermünzen.


Bild von Timo Volz aus Unsplash


Mittlerweile sage ich das Wort Schatz am Tag mindestens ein Dutzend Mal. Allerdings nicht, weil ich gerade den Heiligen Gral oder das verschollene Raubgut von Captain Blackbeard gefunden habe, sondern immer dann, wenn ich mit dem Hund rede. Der ist wirklich ein Schatz und der Liebe meines Lebens und mir unendlich ans Herz gewachsen.


Wenn ich dann mein Leben Revue passieren lasse. Die Vergangenheit, und auch die Gegenwart, finde ich eine ganze Reihe von Schätzen, die man mit keinem Vermögen der Welt kaufen kann. Was sich da nicht alles angesammelt hat.


Da waren zum Beispiel eine unbekümmerte, behütete Kindheit und Jugend. Es gab zwei Menschen, meine Eltern, die immer für mich da waren. Egal, was für einen Scheiß ich auch angestellt hatte, bei ihnen bekam ich volle Rückendeckung. Das war ein Segen.


Dazu eine Familie, mit einem Bruder, einer Oma und einem ganzen Schwung an Tanten und Onkeln, die eisern zusammenhielten und wie ein Eingeborenenstamm feste Rituale und Zusammengehörigkeits-Standards praktizierten. Da fühlte ich mich wie ein Rädchen in einer perfekt laufenden Maschine.


Ich fand einen Job, der mich in den ersten Jahren unglücklich machte, aber später zur Berufung wurde. Wer hätte das gedacht? So hält das Leben Überraschungen für einen bereit. Echte, wahre Schätze.


Sport wurde zu einem zentralen Punkt in meinem Leben. Am Ende waren es der Fußball und das Laufen, die mich komplett erfüllten und ausfüllten. In beiden Sportarten erreichte ich Ziele, die ich nie für möglich gehalten habe. Auch das waren Schätze von unglaublichem Wert für mich.


Bild von Jakob Owens aus Unsplash


Später wurde mir klar, dass ich jahrzehntelang gesund und belastbar geblieben war. Keine große Krankheit, nicht Mal lange Verletzungen. Ich schaffte bis heute über sechs Jahrzehnte, ohne mir Sorgen um meine Gesundheit machen zu müssen. Was für ein Schatz!


Es gesellten sich auch kleine Schatztruhen dazu. Kisten voller Bücher, die ich gelesen habe. Was war das für ein Genuss, und ist es noch immer. Oder die Musik. Alben über Alben habe ich gehört, geliebt, mitgesungen und nie wieder vergessen. Als Highlight noch Konzerte, die ihresgleichen suchten. Ich war ein Glückspilz.


Auch Abende mit Freunden, oder vielleicht sogar ein ganzer Urlaub, sind Schätze, die mit Geld nicht zu bezahlen sind. Kontakte, Gespräche, Freundschaften, Beziehungen, sie sind das wahre Gold in unserem Leben. Ohne sie ist das dickste Bankkonto nur ein papierner Auszug mit jeder Menge Zahlen. Mehr nicht.


Die Krönungen der Schatzsuchen fanden nach und nach statt. Sind noch immer die größten und wichtigsten Bestandteile meines Lebens. Eine Hand voller Hunde, die mich begleitet haben. Jeden von ihnen habe ich geliebt und schrecklich vermisst, als sie mich verlassen haben.


Dann die Kinder. Ihre Geburten waren Meilensteine in meinem Leben. Sie aufwachsen zu sehen, sich mit ihnen zu freuen, zu streiten und zu lachen war wunderschön, und ist es noch immer. Sie auf ihrem Weg zu sehen und zu wissen, dass sie ihn allein gehen können. Allein das ist ein Leben wert.


Bild von Markus Spiske aus Unsplash


Und zum Schluss ist da noch der größte Schatz von allen. Die Liebe zu einem anderen Menschen. Die Liebe meines Lebens begleitet mich jetzt schon über vierzig Jahre. Jeder Tag davon war, als würde man einen versunkenen Schatz heben. Immer und immer wieder. Einen Schatz, wie ihn meine eigene kleine Welt noch nie gesehen hat. Dieser Schatz ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen und ich würde ihn gegen nichts eintauschen. Bewahren kann man diesen Schatz allerdings nur, wenn man ihn frei und ungebunden leben lässt. Wenn man jeden Tag aufs Neue nach ihm sucht und ihn findet. Man darf ihn nicht in einen Tresor oder eine Schatzkammer sperren. Ganz im Gegenteil. Man muss ihn begleiten und ihn lieben. Mehr nicht. Wer das hinbekommt, der braucht weder Schatzkarten noch Schaufel und Spaten, denn die wahren Schätze liegen nicht unter der Erde…



Thomas Knackstedt