Schreiben und Lesen...

        

... das gehört zusammen wie gutes Training und ein schneller Wettkampf. Es muss aber nicht immer mit Laufen zu tun haben. Hier bekommt ihr jeweils eine Story angeboten, die sich ums Laufen dreht, oder auch nicht.



 

 


Fremde Welten…


„Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung ...“


Okay, da sind wir jetzt in meiner Kindheit gelandet. Ich war ein absoluter Star-Trek Fan und Captain Kirk war mein Held. Es waren die fremden Welten in diesen unendlichen Weiten, die mich faszinierten. Am Wochenende musste ich feststellen, dass man gar kein Raumschiff braucht, um fremde Welten zu entdecken. Das geht viel einfacher.


Wir waren zum Geburtstag eines Freundes eingeladen. 500 Kilometer von zu Hause entfernt. Da so eine lange Strecke für einen Tagesausflug viel zu lang ist, haben wir zwei Hotelübernachtungen gebucht. Das Ganze in einem absolut feinen Schuppen.


Da wir am Tag der Feier bis 18 Uhr Zeit hatten, unternahmen wir eine dreistündige Wanderung und genehmigten uns anschließend noch einen Saunabesuch im SPA des Hotels. Gleich daneben war ein hervorragend ausgestatteter Fitness-Raum mit allen technischen Geräten, die das Herz des Fitness-Freundes begehrt. Ich muss jetzt allerdings ergänzen, dass ich für diese Art Fitness so gar keine Ader habe. Aber: Man will ja keine Vorurteile hegen, also haben die Liebe meines Lebens und ich unsere ersten gemeinsamen Fitness-Erfahrungen gesammelt.


Bild von Risen Wang aus Unsplash


Zunächst waren wir allein. Wir setzten uns auf zwei Ergometer-Fahrräder, betätigten den Screentouch-Bildschirm und legten los. Ich bin ein begeisterter Radfahrer, aber was war das? Egal, wie ich Sitzhöhe oder Entfernung des klobigen Lenkapparates auch einstellte, es passte vorn und hinten nicht. Das hier war definitiv nichts, was auch nur ansatzweise etwas mit einem Fahrrad zu tun hatte. Die Pedale traten sich weich und schwammig, egal welche Widerstände ich auch einstellte. Ja, man kam ins Schwitzen, aber es stellte sich kein Radfahr-Gefühl ein. Wo war der Fahrtwind? Wo das Reifengeräusch und die harten, manchmal ruppigen Schläge des Asphalts? Wo die Gangschaltung, die die Kette surrend über die Zahnkränze des Ritzelpaketes jagte? Wo war das Gefühl, schnell und rasant, nur mit Hilfe der eigenen Muskelkraft, in Bewegung zu sein? Fünf Minuten, länger hielt ich das nicht aus. Der Spaßfaktor war für mich gleich Null.


Jetzt kamen ein paar mittelalte, gut gebaute Fitness-Frauen in den Raum. Sie besetzten sofort ein paar Geräte. In-Ear Hörer wurden in die Lauschmuscheln gesteckt, Handys angeschlossen und das Display der Gerätschaften bedient. All das in mit traumwandlerischer Sicherheit. Das Laufband setzte sich in Bewegung und machte einen Heidenlärm. Ein Fahrradergometer wurde in Betrieb genommen und eine Beinpresse verrichtete ihren Dienst. Die Frauen wussten Bescheid. Dagegen waren wir ausgemachte Dilettanten.


Die Liebe meines Lebens machte sich jetzt an einer Maschine mit Gewichten zu schaffen. Sie zog und stemmte in allen möglichen Bewegungsrichtungen. Ich tat es ihr kurz nach und stellte fest, dass das nichts für mich ist. Nebenbei beobachtete ich die Laufgeschwindigkeiten auf den zwei Laufbändern, die von zwei Frauen benutzt wurden. Da spielte sich alles zwischen 8 und 11 Stundenkilometern ab. Na ja, gar nicht mal so schlecht. Aber richtig schnell ist natürlich was anderes.


Ich hockte mich auf die große Beinpresse und drückte schwere Gewichte in die Höhe. Das funktionierte, löste aber in mir keinerlei sportlichen Gefühle aus. Mir fiel sofort ein Wort ein, dass meine Stimmung in diesem Moment ausdrückte: Laaaangweilig.


Bild von Samuel Girven aus Unsplash


Dann wurden die Laufbänder frei und ich dachte: Wann habe ich das letzte Mal auf so einem Ding gestanden? Okay, das ist mindestens 25 Jahre her. Schauen wir also mal, ob sich da vielleicht was verändert hat.


Ich stellte das Gerät ein und versuchte bei 5 Stundenkilometern zu laufen. Hätte ich mich nicht festgehalten, ich wäre sofort gestürzt. Drei weitere Versuche endeten ebenfalls kläglich. Okay, das macht also auch keinen Spaß. Wie sollte es auch. Wenn ich laufe, dann ist die Erde unter mir ein fester, unverrückbarer Punkt. Ich bin es, der läuft und sich bewegt. Ich sehe, wie die Landschaft an mir vorbeizieht, weil ICH laufe. Ich spüre mit meinen Füßen die unterschiedlichen Böden und deren Beschaffenheit. Ich laufe fast geräuschlos und höre nur meinen Atem und den Schlag meines Herzens. Vor allem aber bin ich draußen. Hier, auf diesem Laufband, denke ich, dass ich wie ein Irrer auf der Stelle trete, während sich das Band unter mir bewegt, ich selbst aber keinen Meter vorankomme. Wie soll mich das begeistern?


Fazit meine kurzen Fitness-Raum Aufenthaltes: Nichts für mich! Die Frauen dort werden die ganze Zeit gedacht haben: Schau dir mal diesen alten Opi an. Der ist tatsächlich zu blöd für jedes einzelne dieser Geräte. Denkt vermutlich er wäre sportlich. Ist er aber nicht. Wenn die jetzt noch wüssten, dass ich kein Smartphone besitze, hätten sie mich vermutlich sofort im Museum ausgestellt.


Ob die Frauen mir glauben geschenkt hätten, wenn ich erzählt hätte, dass ich heute noch einen Marathon mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 11,3 km/h laufen kann und früher die Strecke sogar mit einem Schnitt von 14,4 km/h gelaufen bin? Vermutlich würden sie mich für einen alten Spinner und Aufschneider halten. Ist aber auch egal, da ich das den Damen natürlich nicht auf die Nase binden werde.


Letztendlich musste ich feststellen, dass ich „zu alt für den Scheiß“ bin. Aber nicht nur das. Laufen und Rad fahren ist draußen, nicht drinnen. Dafür brauche ich keinen technischen Schnickschnack, sondern nur ein paar Laufschuhe oder ein Rad. Die Magie, die diese beiden Sportarten auf mich ausüben, hat leider keinen Zutritt zu geschlossenen Räumen. Für die Fitness-Freunde ist das schade, aber für mich ist das ein Fakt, an dem keine noch so ausgeklügelte Indoor-Maschine der Welt etwas ändern wird. Fremde Welten mögen interessant sein, in Sachen meiner Lieblings-Sportarten können sie mir jedoch getrost den Buckel runterrutschen.



Thomas Knackstedt